Interview mit Erik Rohrbach
Sonnhild Grünberg: Der 100. Geburtstag des früheren Oberbürgermeisters Fritz Krause ist Anlass, eine öffentliche Ehrung in Angriff zu nehmen. Die Stadtverordnetenversammlung hat auf Antrag der Fraktionen Frankfurter-Bürger-Initiative / Freie Wähler und Die Linke dazu am 07. 11.2024 mit Mehrheit einen Beschluss gefasst. Wie sollte es weitergehen?
Erik Rohrbach: Ich habe die Stadtverordnetenversammlung auf You-Tube angesehen und bin vor allem Uwe Henning und Sandra Seifert dafür dankbar, das ein Beschluss gefasst wurde, der eine Ehrung für Fritz Krause zu seinem 100. Geburtstag am 13. April 2025 möglich macht. Dabei respektiere ich auch sehr unterschiedliche Meinungen der Stadtverordneten.
Erst mit der Kompromissbereitschaft der Genannten und durch eine Änderung des eingereichten Beschlussvorschlages wurde die Mehrheitsentscheidung möglich. Vielleicht haben sich die Einreicher von Erich Kästner inspirieren lassen, man könne auf seinem Standpunkt stehen, sollte aber nicht darauf sitzen.
Jetzt geht es um eine breite Diskussion in der Stadtgesellschaft zum Anliegen und der möglichen Art der Ehrung. Erst danach ist klar, in welcher Form Fritz Krause geehrt wird.
Sonnhild Grünberg: Was veranlasste dich zur Beschäftigung mit der Persönlichkeit Fritz Krause?
Erik Rohrbach: Es entspricht meiner Lebenserfahrung, dass zwar viele Menschen mein Leben bereichern, aber nur ganz wenige davon Spuren in meinem Herzen hinterlassen. Fritz Krause gehört dazu.
Ich würde nie so weit gehen, ihn mein Vorbild zu nennen, weil ich diese Einordnung nicht mag. In den vielen Jahren unseres Miteinanders kam ich zu der Überzeugung, dass Fritz Krause nach dem Grundsatz handelte, wenn ein Mensch sein Bestes gegeben hat, ist es unerheblich, wie viel das war. Ohne ihn zu überhöhen oder gar zu vereinnahmen, ich habe von Fritz Krause gelernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, bescheiden zu sein.
Sonnhild Grünberg: Was war für dich wichtig in der Leitungstätigkeit von Fritz Krause?
Erik Rohrbach: Auch wenn Fritz Krause sehr durchsetzungsstark war, er legte immer Wert darauf, anstehende Entscheidungen mit den Stadtverordneten und Menschen seines Vertrauens zu beraten. Als Vorsitzender einer ständigen Kommission, heute heißt das Ausschüsse, lud Fritz Krause die Vorsitzenden vor Tagungen der Stadtverordnetenversammlung in das Rathaus ein.
Dabei gab er ihnen Handlungsempfehlungen für die Vorbereitung der nächsten Tagung. Dem folgte immer ein lebhafter und auch kontroverser Gedankenaustausch. Die Vorsitzenden bestanden darauf, über ihren Beitrag zur Vorbereitung der bevorstehenden Tagung der Stadtverordnetenversammlung selbst zu entscheiden. Das hat Fritz Krause immer respektiert.
Auch dann, wenn die ständigen Kommissionen zur Vorbereitung der bevorstehenden Tagung der Stadtverordnetenversammlung etwas anderes auf den Weg brachten, was nicht den Handlungsempfehlungen des Oberbürgermeisters entsprach.
Über das Erreichte wurde dann öffentlich in den Tagungen der Stadtverordnetenversammlungen abgerechnet.
Sonnhild Grünberg: Du sprichst mehrfach an, dass Fritz Krause auch Ecken und Kanten hatte. Wie siehst du aus heutiger Sicht sein Handeln?
Erik Rohrbach: Fritz Krause stellte an sich und Andere immer sehr hohe Anforderungen, weil er als in Güldendorf Geborener seine Stadt liebte und immer das Beste für sie wollte. Das galt besonders den Menschen gegenüber, mit denen er vor allem verbunden war und gemeinsam arbeitete.
Er beurteilte diese viel kritischer als andere Mitstreiter und forderte manchmal mehr, als diese in der Lage waren, zu leisten. Das habe ich selbst mehrfach erlebt und manchmal war ich auch „sauer“.
Aber, nach gründlichem Nachdenken und mit meiner Lebenserfahrung von heute, alles war dem Wohle von Frankfurt (Oder) und seinen Bürgern untergeordnet. Das zu begreifen, war auch bei mir ein Prozess des Lernens.
Sonnhild Grünberg: Eine deiner aufgeschriebenen Episoden dreht sich in deinem Manuskript „Unvergessen“ um eine Neubauwohnung, die dir Fritz Krause bei deiner ersten Begegnung mit ihm versprochen hatte. Wie viele neue Wohnungen entstanden in seiner „Regierungszeit“ in Frankfurt (Oder)?
Erik Rohrbach: In der Diskussion zu einer möglichen Ehrung von Fritz Krause wird sehr oft nur die Rettung von St. Marien genannt. Das halte ich für falsch. Denn, in der Amtszeit von Fritz Krause entstanden in Neuberesinchen, in Süd und in Hansa Nord völlig neue Wohngebiete mit vielen modernen, neuen Wohnungen.
Frankfurt (Oder) war auf dem Weg, eine Einwohnerzahl von 100.000 Menschen zu erreichen. Unsere Stadt hatte, gemessen an der Einwohnerzahl, den höchsten Versorgungsgrad mit durch Fernwärme beheizten Wohnungen, Kindergarten- und Kinderkrippenplätzen aller Bezirksstädte der DDR.
Das bedeutete nicht, dass jede Familie dort einen Platz in einer Kindereinrichtung erhielt, wo sie wohnte. Meine Familie war mit einem Platz in Kliestow, im Süden der Stadt wohnend, kein Auto besitzend, selbst davon betroffen. Erinnernswert ist auch, dass es nirgends so viel Kunst im öffentlichen Raum gab wie in Frankfurt (Oder). Als ich 1966 von Bad Freienwalde nach Frankfurt (Oder) zog, versprach mir Fritz Krause, nach vier Jahren bekommst du eine Wohnung im bald neu entstehenden Kosmonautenviertel. Deine jetzige ist ein Übergangslösung.Niemals hätte ich mich nach den vier Jahren getraut, nach der Einlösung der Zusage von Fritz Krause zu fragen.
Aber der Oberbürgermeister hatte das nicht vergessen. In dem kürzesten Telefongespräch meines Lebens rief mich Fritz Krause an und teilte mir mit, du kannst heute (!) noch umziehen. Ich war so überrascht, das ich nicht einmal „Danke“ sagen konnte, weil das Gespräch, das eigentlich gar keins war, schon zu Ende war.
Sonnhild Grünberg: Wie stellst du dir vor, Fritz Krause zu ehren, ohne ihn auf einen Sockel zu heben, was du nicht mit deinem Miniaturbuch beabsichtigst und was auch Fritz Krause wahrscheinlich gar nicht recht wäre?
Erik Rohrbach: Ich halte es mit Albert Schweitzer:“Das schönste Denkmal dass ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen“. Deshalb schreibe ich in zwölf Episoden von „Unvergessen“ darüber, wie i c h Fritz Krause erlebte. Manchmal ist im Leben die frühere Geburt ein Vorteil.
Es wäre aber nie im Sinne von Fritz Krause, ihn auf einen Sockel zu stellen und vor Ehrfurcht zu erstarren.
Deshalb ist meine Edition mein ganz persönliches Beitrag zum 100. Geburtstag von Fritz Krause. (Wenn er noch unter uns wäre, hätte er mir bestimmt gesagt: Das hast du zwar ganz ordentlich gemacht. Aber, musste das denn sein, wäre es nicht eine Nummer kleiner gegangen? Ich hätte Fritz Krause widersprochen, was er selbst, auf mich bezogen, nie besonders mochte…..)
Sonnhild Grünberg: Du hast in dankenswerter Weise den Leserinnen und Lesern einiges an Gründen genannt, weshalb du dich mit dem Leben und Wirken von Fritz Krause beschäftigst, du hast ihn unmittelbar erlebt. Noch bleibt viel Raum im Vorfeld bis zu seinem 100. Geburtstag, sein Wirken zu erfragen, bewusst zu machen und ihn zu würdigen.